Das Dilemma des Traumabegriffs
In dem Workshop soll versucht werden, die Kontroversen um ‘Trauma’ als Ausdrucksform von Leiden durch Gewaltereignisse historisch nachzuzeichnen, um die Verschränkung dieser Kategorie mit dominanten gesellschaftlichen Diskursen und Machtverhältnissen konkret aufzuzeigen. Dabei möchten wir versuchen, uns dem Dilemma zu nähern, das sich aus der Aufnahme der PTBS in die Reihe der psychischen Störungen ergibt: Einerseits eröffnet sie die praktische Möglichkeit einer offiziellen Anerkennung als Opfer von Gewalttaten (z.B. durch Übernahme von Kassenleistungen oder dem juristischen Anspruch auf Entschädigungszahlungen), andererseits funktioniert sie –im Einklang mit allen anderen Diagnosen– nur über eine individuelle Pathologisierung der Subjekte und abstrahiert von den konkreten Täterinnen. Hierbei werden bestimmte Schutzhandlungen, die in der Folge der Gewalterfahrung von Betroffenen entwickelt werden, als Symptome abgewertet. Trotzdem gab es Kämpfe für traumaassoziierte Diagnosen, denn die Anerkennung als “Hilfebedürftige” sichert die psychosoziale Versorgung. Dieses Spannungsfeld zwischen Hilfesuche und Pathologisierung verdeutlicht die gesellschaftliche Notwendigkeit der Diagnosen als Machtinstrumente: Nur wenn ein Krankheitswert nach bestimmten Kriterien festgestellt werden kann, wird eine Versorgung gegeben. Die Degradierung von Gewaltbedingungen zu einem „auslösenden Traumaereignis“, ermöglicht zudem die Individualisierung und Ahistorisierung von gesellschaftlichen Gewalt- sowie Machtpositionen. Dies wird z.B. an der Debatte um „deutsche Kriegstraumatisierung“ deutlich, die in den letzten 15 Jahren zunehmend an Popularität in der Psychologie gewinnt. Durch die scheinbare Universalität des Traumakonzepts werden hierbei individuell leidvolle Kriegserfahrungen in gefährliche Nähe zu den grauenvollen Erlebnissen von im NS Verfolgten gerückt und somit potenziell gleichgesetzt bzw. nivelliert. In der Diskussion wollen wir uns darüber austauschen, inwieweit der Traumabegriff hilfreich oder hinderlich bei der Verarbeitung von Gewalterfahrungen im Rahmen von Repressionen und/oder institutioneller Gewalt sein kann.