Für eine universelle feministische Solidarität!
Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag, den wir auf der Demonstration “Feministische Perspektiven erkämpfen und verteidigen!” am 8. März in Dresden gehalten haben.
Hallo und danke, dass wir hier sprechen können anlässlich des Feministischen Kampftages heute.
Wir haben bereits am 25. November letzten Jahres auf der Feministischen Demonstration gegen patriarchale Gewalt einen Redebeitrag gehalten, in dem es um die Gewalt der Hamas an israelischen und in Israel lebenden Frauen ging. Wir haben darüber gesprochen, dass diese sexualisierte Gewalt geleugnet oder nicht erkannt wurde. „Believe women“ war plötzlich außer Kraft gesetzt, #Metoo galt nicht für Jüdinnen, und sogenannte Feminist*innen auf der ganzen Welt feierten die Hamas als Freiheitskämpfer.
Selbst unter denen, die sich nicht mit der Hamas gemein machten, haben viele geschwiegen und schweigen noch. Nur wenige Feminist*innen haben ihre Solidarität mit den betroffenen Frauen in Israel ausgedrückt. Wir haben für die heutige Demonstration am 8. März den Beitrag aktualisiert, denn was soll das für ein Feminismus sein, der israelische Frauen oder in Israel lebende Frauen unsichtbar macht, ignoriert oder verhöhnt. Wir reden hier über Frauen, denen grausamste Gewalt widerfahren ist. Die wenigsten haben diese Gewalt überlebt.
Das feministische Spektrum der Ignoranz reicht von autonomen internationalistischen Netzwerken bis hin zu etablierten Institutionen der internationalen Zusammenarbeit. Unter dem Hashtag „#MeToo_Unless_UR_A_Jew“ beklagten Jüdinnen die Untätigkeit der UN Women. Ruth Halperin-Kaddari, Rechtsprofessorin und Frauenrechtlerin, sagte im November in einem Interview: „Ich habe bereits drei Tage nach dem 7. Oktober an verschiedene Uno-Organisationen geschrieben, um die Verurteilung der Taten gegen Frauen und Kinder und die extreme sexuelle Gewalt, die stattgefunden hat, anzuerkennen. Ich habe an UN Women geschrieben, an die Uno-Organisation gegen die Diskriminierung von Frauen und Mädchen, an die Uno-Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Frauen und an weitere Uno-Institutionen und internationale Frauenrechtsorganisationen. Die Reaktion war erschütternd: Viele antworteten gar nicht.“1
Jüdinnen weltweit berichten von einem völligen Vertrauensverlust in die nicht-jüdische feministische Linke. Wir können das nachvollziehen und es schmerzt uns als solidarische Feminist*innen. Diese Verweigerung der Solidarität, die Verweigerung von Anteilnahme ist eine unterlassene Hilfeleistung und eine zusätzliche Verletzung.
Über zwei Monate versäumten es die Vereinten Nationen und ihre Frauenrechtsorganisation UN Women, die Taten anzuerkennen. Weitere Wochen vergingen, bis die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt, Pramila Patten, nach Israel reiste, um die systematische sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zu untersuchen, die von Terroristen der Hamas am 7. Oktober gegen Israelis verübt wurde. Dort sprach sie davon, dass man den Überlebenden und Opfern mehr als nur Solidarität schulde. »Wir wollen sicherstellen, dass Ihnen Gerechtigkeit widerfährt«, so Patten. Sie forderte – 115 Tage nach dem Massaker – Opfer und Zeugen in Israel auf, nicht mehr zu schweigen.
Diese an die Opfer gerichtete Aufforderung fällt nun aber ebenfalls hinter mühsam errungene feministische Standards zurück: Das bisherige Schweigen der internationalen Öffentlichkeit, beispielsweise von Pramila Patten selbst, wird auf das Schweigen der Traumatisierten zurückgeführt, ihnen damit die Beweislast zugeschoben. Das ist vor dem Hintergrund dessen, dass die Gewaltexzesse der Hamas von der Terrororganisation selbst dokumentiert wurden, und sie trotzdem vielerorts geleugnet werden, mindestens unsensibel und irritierend, wenn nicht absolut heuchlerisch, irreführend, antifeministisch.
Was gibt uns Hoffnung?
Zum einen der Beginn einer klaren antirassistischen Kritik am Islamismus: Ende Januar fand dazu in Berlin eine Veranstaltung unter dem Titel LEFT in DARKNESS statt. Die Sozialwissenschaftlerin Ferda Berse und die Politikwissenschaftlerin Dastan Jasim leiteten aus den kurdischen und jesidischen Kämpfen und Erfahrungen eine klare Solidarisierung für Israel*innen ab und appellierten an die Notwendigkeit, klare Kante gegen Islamismus zu zeigen.
Zum anderen findet heute in Berlin eine Demonstration unter dem Motto „feminism unlimited“ – für universelle feministische Solidarität statt. Es handelt sich um ein neues Bündnis, das sich für einen (queer)feministischen Kampftag ohne Antisemitismus, Rassismus und Transfeindlichkeit zusammengefunden hat.
In seinem Aufruf2 schreibt das Bündnis, Zitat: „Wir wollen […] eine universelle feministische Solidarität, die jede Form der Diskriminierung ernst nimmt und gegen sie einsteht! Wir begreifen uns als (queer)feministisch, antisemitismus-, rassismus- und islamismuskritisch, antifaschistisch und antikapitalistisch. Aus dieser Perspektive heraus sind wir von weiten Teilen selbsternannter „Linker“ und „Feminist*innen“ bitter enttäuscht. Denn: dieser universelle Anspruch ist hier kein Konsens – vor allem, wenn es um Juden_Jüdinnen geht.
Seit dem antisemitischen Massaker des 7. Oktober eskalieren die autoritären und antisemitischen Entwicklungen in vermeintlich progressiven Kreisen. Struktureller Antisemitismus und Hass auf den jüdischen Staat Israel sind innerhalb der Linken leider nichts Neues – das Ausmaß, in dem sich momentan offener Hass auf Juden_Jüdinnen zeigt, hat jedoch eine neue Dimension erreicht: Selbsternannte Feminist*innen oder Kommunist*innen relativieren das Massaker der Hamas oder feiern es gar als Akt des legitimen Widerstands. Dass die Aussagen von Betroffenen sexualisierter Gewalt als niederträchtige Lüge abgetan werden, erwarten wir vielleicht von Rammstein-Fans – nicht jedoch von feministischen Aktivist*innen, die seit Jahren die internationalistische 8. März Demo in Berlin organisieren. Das ist antifeministisches Verschwörungsdenken und die konkrete Absage an eine befreite Gesellschaft.“
Dem können wir uns nur anschließen und zitieren nochmal aus dem Aufruf: „Es entsetzt uns, dass Teile der radikalen und feministischen Linken nicht in der Lage sein wollen, Islamismus als das zu begreifen, was er ist: eine faschistische, antimoderne, patriarchale und imperialistische Ideologie, die jeder emanzipatorischen Kritik grundlegend gegenübersteht. Ihn zu relativieren oder gar zu verherrlichen heißt, sich mit Juden_Jüdinnen zu entsolidarisieren und ist zugleich eine Absage an die Solidarität mit jenen, die dieser Ideologie ausgesetzt sind: Kurd*innen, Jesid*innen, Afghan*innen, Iraner*innen und allen Muslim*innen, die sich nicht den rigiden islamistischen Wertevorstellungen unterwerfen wollen.“
Wir sind sehr glücklich über dieses Bündnis und diesen Aufruf, schicken tausend Grüße nach Berlin und wünschen den Genoss:innen eine kraftvolle und erfolgreiche Demonstration!
Und uns natürlich auch! Für eine universelle feministische Solidarität!
1 Ruth Halperin-Kaddari über sexuelle Gewalt beim Hamas-Angriff: »Es geht darum, die schlimmsten Ängste jedes Menschen wahrzumachen« (24.11.2023)
2 Für universelle feministische Solidarität. Gegen selektiven Feminismus. Aufruf zur Demo „feminism unlimited“ am 8. März, 15 Uhr in Berlin
Zum Weiterlesen, -hören:
Audiomitschnitt von Left in Darkness – Die Linke, der Islamismus und die Frage der globalen Solidarität. Podiumsdiskussion mit Ferda Berse, Sozialwissenschaftlerin und Dastan Jasim, Politikwissenschaftlerin, Moderation: Amina Aziz, Journalistin, Autorin, Kiezraum, Berlin (25.01.2024)
Kampf um Anerkennung des Horrors. Sexualisierte Gewalt der Hamas von Erica Zingher (08.02.2024)
Ruth Halperin-Kaddari im Podcast der Haaretz (14.11.2023)